Leila Bencharnia: The Politics of Softness: Cotton, Matriarchal Pedagogy, and the Disruption of Imperial Temporalities

Das Operndorf Afrika ist ein lebendiger Ort des Austauschs, der Bildung und der Kunst. Hier begegnen sich kreative Köpfe, um neue Perspektiven zu entwickeln und gesellschaftlich relevante Themen zu reflektieren. In unserem Artist-in-Residence-Programm arbeiten derzeit mehrere Künstler:innen an Projekten, die sich mit Dekolonisierung, Identität, Geschichte und sozialen Veränderungen auseinandersetzen. Seit Dezember ist die Künstlerin Leila Bencharnia Teil unseres Residenzprogramms. Ihr aktuelles Projekt „The Politics of Softness: Cotton, Matriarchal Pedagogy, and the Disruption of Imperial Temporalities“ erforscht die vielschichtige Bedeutung von Baumwolle als Trägerin von Erinnerungen, Widerstand und feminisierten Wissensformen. In ihrer Arbeit geht es nicht um eine bloße Darstellung von Stoffen, sondern um eine vielschichtige Reflexion über die Beziehung zwischen Materialität, Geschichte und sozialen Strukturen.
Baumwolle ist mehr als ein textiles Material – sie ist ein lebendiges Archiv. In ihren Fasern stecken Erinnerungen an Hände, an Wunden, an Rituale, aber auch an Widerstand. Bencharnia versteht Weichheit nicht als passive Ästhetik, sondern als eine Form des Ungehorsams. In einer Welt, die nach Härte, nach klaren Definitionen und nach Geschwindigkeit verlangt, ist Weichheit eine Geste der Verweigerung, eine Einladung zum Zuhören, zur Langsamkeit, zum Fühlen.
Die in ihrer Arbeit entstehenden Bilder und Textilien lassen sich als kartografische Fragmente einer größeren, offenen Recherche verstehen. Sie untersuchen Stoff nicht nur als Medium, sondern als Sprache – als eine Grammatik des Widerstands, in der die Naht zur Syntax wird und das Gewebe Wissen trägt und weitergibt. Hier entstehen matriarchale und pädagogische Konstellationen, nicht als romantisierte Archetypen, sondern als gelebte Praktiken der Weltgestaltung, der intergenerationalen Weitergabe und des Widerstands gegen koloniale Zeitstrukturen.
Inspiriert von panafrikanischen Visionen, wie sie etwa von Thomas Sankara gezeichnet wurden, nähert sich Bencharnia diesen Ideen nicht als starre Monumente, sondern als lebendige Resonanzen innerhalb eines umfassenderen Autonomieprozesses. Ihr Werk ist keine Hommage an Namen oder Persönlichkeiten, sondern an alternative Wissensformen, an kollektive Stimmen, an indigene Zeitlichkeiten, die sich dem linearen Diktat kolonialer Vergangenheiten entziehen.
Mit dieser Arbeit entwickelt Leila Bencharnia eine poetische und zugleich radikale Form der Auseinandersetzung mit Erinnerung, Stofflichkeit und Widerstand. Sie schafft Räume, in denen das Zuhören mit Erinnerungen wichtiger wird als das Erzählen über sie. Ihre Praxis des Textilen ist eine Praxis des Vertrauens – in die Weichheit, in das Nicht-Wissen, in die Stille. Es ist eine kartografische Spurensuche nach einer anderen Art des Seins, in der Zärtlichkeit zur Strategie und Ungehorsam zum Atem wird. Wir freuen uns sehr, Leila Bencharnia als Teil unseres Artist-in-Residence-Programms im Operndorf Afrika zu haben und auf die weiteren Entwicklungen ihres künstlerischen Schaffens zu blicken.
Alle Fotos: Leila Bencharnia
DAS DIESJÄHRIGE ARTIST-IN-RESIDENCE PROGRAMM WIRD GEFÖDERT DURCH