Artist-In-Residence 2017
Artist-In-Residence
2017
Claus Föttinger • Jeannette Mohr • Mouhamadou Moustapha Diop
Claus Föttinger
Claus Föttinger ist 1960 in Nürnberg geboren und lebt und arbeitet in Düsseldorf und Seddülbahir, Türkei. Er erhielt seine ersten Einblicke in die Bühnenbildnerei und –malerei an den Städtischen Bühnen Nürnberg und arbeitete bei zwei Werbe- und Objektfotografen als Assistent. An der Kunstakademie Düsseldorf studierte er im Anschluss Freie Malerei und schloss bei Professor Alfonso Hüppi 1989 als Meisterschüler ab. In seiner Arbeit fokussierte er sich auf Objekt- und Installationskunst. Sein Thema ist der Umgang mit politischer und kultureller Geschichte und Gegenwart. Der Erinnerung und biographischen Verortung eine erlebbare und ästhetisch entsprechende Form zu geben, ist der wichtigste Teil seiner Arbeit. Der von Joseph Beuys geprägte Begriff „Soziale Plastik“ ist die Grundidee seiner Versuchsanordnungen, die er seit mehr als 30 Jahren mit dem Oberbegriff „Bar“ bezeichnet. Diese „Bars“ erstellt er mit fotounterlegten, überzogenen und vernähten Objekten aus dem Bereich Interieur und Lichtinszenierung zu Themen, die er für gesellschaftlich relevant erachtet, oft auch mit Teilen älterer Arbeiten, die von ihm neu verbunden und damit immer wieder an neue Verhältnisse angepasst werden. Die „Bar“ funktioniert dabei als Mikrokosmos und Simulationsraum für gesellschaftlich aktuelle Prozesse oder versucht subkutane, in der Geschichte vergessene, verborgene Ereignisse für den aktuellen Diskurs wieder hervorzuholen und nutzbar zu machen.
Claus Föttinger war bei der Gruppenausstellung „Come in“ des IFA Instituts mit der Arbeit „Hermann’s Döner Inn“ vertreten, die Ausstellung tourte von 2001 bis 2016 in 4 Kontinenten. 2004 wurde er vom Fritz Bauer Institut zu der Ausstellung „Ausschwitz – Prozess 4 Ks 2/63“ mit der Arbeit „Club BRD“ eingeladen und hat 2014 für die deutsche Fußballnationalmannschaft die WM-Bar in Campo Bahia, Brasilien konzipiert und vor Ort gebaut.
Teilnahme an der Operndorf-Residenz
Christoph Schlingensief und seine Arbeit haben mich seit den späten 80ern begleitet. Talk 2000, U 3000, Ausländer raus, sind für mich wichtige Referenzmodelle auch für die eigene Arbeit. Ähnlich wie bei René Pollesch haben mich seine Themen und die Umsetzung immer sehr berührt. Das Ringen um die politische, irgendwie moralische Relevanz des eigenen Daseins, der Kampf mit der eigenen Biographie im Nachkriegsdeutschland und den Folgen der Wiedervereinigung, Globalisierung und der Aufbau eines gemeinsamen demokratischen Europas sind die Themen unserer Generation.
Sein Schritt das Operndorf zu gründen hat mich fasziniert, als ich das erste Mal davon hörte. Der Wunsch an der temporären Verzweiflung an den Verhältnissen mal etwas Anderes, Positives und Nützliches mit seinem Talent zu machen, so etwas wie eine Utopie zu denken – ein Ziel, das man aus der Jugend, Büchern und Filmen kannte und das sich durch viele
Rückschläge schon auch mal komplett absentiert. Schöner Scheitern, auch so ein großartiger Begriff von ihm. Nach zwei Wochen im Operndorf kann ich sagen, ich habe wenige Projekte gesehen, die soviel Sinn machen wie das Operndorf. Das Operndorf als Utopie und soziale Plastik, Gesellschaft als reale Aufführung. Aino Laberenz hat hier nach dem Tode von Christoph Schlingensief zusammen mit vielen anderen einen phantastischen Job gemacht und sein Andenken in bewundernswerter Weise auch für uns bewahrt. Die Perspektiven, die für die Kinder mit der Schule und für die Mütter mit der Krankenstation geschaffen wurden, werden die Verläufe der Biographien dieser Schüler/innen und Frauen ändern. Umgekehrt wird einem auch selbst geholfen, in dem man die Notwendigkeit des Daseins wieder neu fühlen und verorten kann.
Die eigens für diesen Ort geschaffene Architektur von Francis Kéré tut ein Übriges dazu und macht die Utopie für den Moment komplett.
Es wäre schön, wenn es mir gelingt, einen kleinen Beitrag mit meiner Arbeit zu diesem großartigen Projekt zu leisten.
Mouhamadou Moustapha Diop
Mouhamadou Moustapha Diop hat an der École Nationale des Arts (ENA) in Dakar, Senegal, bildende Kunst studiert. Er schloss ein Studium als Bester seines Jahrgangs im Jahr 2015 ab.
Er arbeitet hauptsächlich als bildender Künstler. Darüber hinaus ist er in den Bereichen Video-Kunst und Experimentalfilm sowie als Regisseur von Zeichentrickfilmen tätig. Er wird in seinem künstlerischen Ansatz von Stadtszenen inspiriert, die er mit alltäglichen Bildern assoziiert. Zu diesem Zweck konzentriert er sich bei den abstrakten Konzepten auf die Einfachheit der Dinge und auf die grundlegenden Gedanken der Kommunikation.
Mouhamadou Moustapha Diop vertieft seine Arbeit auf dem Gebiet der kommunikativen Forschung in Bildern und Darstellungen mittels Videoanimation mit verschiedenen Techniken wie: Stop-Motion, Zeichnungen und Marionetten bzw. Puppen.
Seit 2010 stellt er seine Werke regelmäßig in Paris und Dakar aus. 2012 und 2016 wurde seine Kunst außerhalb des Programms bei der größten zeitgenössischen Kunstbiennale Afrikas, Dak’Art, ausgestellt.
Teilnahme an der Operndorf-Residenz
Es ist mir eine Freude, eine Künstlerresidenz in Zusammenarbeit mit Operndorf-Afrika und dem Goethe-Institut in Burkina Faso einzurichten.
Dies ermöglichte mir, zuerst ein anderes Land als meins zu entdecken, andere Menschen kennenzulernen, andere Kulturen zu sehen, kurz: ich entdeckte eine andere Umgebung. Auch hat mir die Residenz durch das Operndorf einen wichtigen Ausdrucksrahmen gegeben. Es befindet sich an einem wunderschönen Ort mitten in der Natur und hat mich sehr inspiriert hat.
Diese Residenz ist eine Wendung in meiner beruflichen Laufbahn als bildender Künstler und Videofilmer und ich hoffe, dass dies meiner Arbeit eine neue Sichtbarkeit verleiht.
Ich begrüße die Initiative von Operndorf-Afrika herzlich. Die Künste mögen leben!
Jeannette Mohr
Jeannette Mohr (*geboren 1961 in Nürnberg, lebt in San Diego, Kalifornien und Düsseldorf) studierte Theaterwissenschaft, Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie in San Diego, Berlin und Erlangen. Während und nach ihrem Studium war sie als Dramaturgin und als Regisseurin am Oldenburgischen Staatstheater tätig. Danach arbeitete sie als Autorin und Producerin im Film- und Fernsehbereich. Seit 1992 lebt sie mit Unterbrechungen in den USA und lehrte bis Mitte 2017 an der UCSD (University of California San Diego) in den Fachbereichen Linguistik und Literatur.
Im März 2017 präsentierte sie mit Claus Föttinger in Wien in der Galerie von Kerstin Engholm die Ergebnisse eines digitalen künstlerischen Austausches. Biographisch verortet wurden über ein paar Monate auf digitalem Weg Photos, Erinnerungen und Geschichten ausgetauscht, aufeinander und miteinander reagiert und neue Bezüge hergestellt. In „bubbles carry a lot of weight“ offerierten sie und Claus Föttinger eine Versuchsanordnung, in der zwischen Mexiko und Gallipoli, San Diego und Düsseldorf Affekte produziert und erlebt, Gefühls- und Wissenszustände akkumuliert und so neue Zusammenhänge errichtet wurden.
Teilnahme an der Operndorf-Residenz
Das Operndorf in Burkina Faso erscheint mir eine Utopie, die sich in der Realität manifestiert. Ich bin vor allem von der dort seit Jahren existierenden Schule schwer beeindruckt. Kinder sind unmittelbar, direkt und können in einem angstfreien Raum zu kreativen Hochseilartisten mutieren. Sich mitteilen und sich kennenlernen, Bilder, die wir voneinander haben testen, über den Haufen werfen und an der Realität messen, das möchte ich dort.
Wie schon in den letzten Monaten werden Claus Föttinger und ich versuchen, Erfahrungen, die wir in Burkina Faso machen, auf den Punkt zu bringen, weiterzudenken und weiterzutreiben. Im Austausch und in der Auseinandersetzung mit den Menschen im Operndorf Afrija wollen wir an einem sozialen Ort, jenseits von Schule, Opernhaus und Museum, gemeinsam etwas neues hinzufügen.
Die Künstlerresidenz Jahrgang 2017 entstand mit freundlicher Unterstützung durch das Goethe-Institut Ouagadougou und die Stiftung Operndorf Afrika.
In Zusammenarbeit mit: