Operndorf Afrika und „Deconfining Arts, Culture and Policies in Europe and Africa“: Uraufführung im Lehártheater während des Europäischen Theaterfestivals in Bad Ischl
Im Rahmen des mehrjährigen Projekts „Deconfining Arts, Culture and Policies in Europe and Africa“ erreicht unsere Kooperation mit der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 ihren Höhepunkt: Am 9. Oktober 2024 feiert die Theaterproduktion „Inbox / Salz & Säulen“ im Lehártheater in Bad Ischl ihre Uraufführung. Diese Produktion basiert auf den TheatertTexten von Sidiki Yougbaré und Thiemo Strutzenberger, die während der Writers Residency entstanden sind, und integriert Kunstwerke von Thierry Oussou und Ava Binta Giallo, die in der Fine Arts Residency geschaffen wurden.
Das Stück beschäftigt sich mit der Frage, wie alte Muster aufgebrochen und neu gestaltet werden können. Die Texte reflektieren Themen der Erinnerungsarbeit und die (Un)möglichkeit der Verständigung über die eigene Geschichte. Unter der Regie von Polina Solotowizki und Sidiki Yougabré wird das Stück mit einem internationalen Ensemble im Rahmen des Europäischen Theaterfestivals in Bad Ischl aufgeführt.
Das Europäische Theaterfestival widmet sich den verdrängten und vergessenen Aspekten der Erinnerung und sucht nach neuen Strategien der Erinnerungskultur. Im Fokus steht nicht die Nacherzählung der Vergangenheit, sondern die Entwicklung neuer Formen und Sprachen für den Umgang mit den Wunden der Geschichte. Das Festival versammelt Theaterprojekte, die die Vergangenheit nicht nur darstellen, sondern eine utopische Strategie des Erinnerns entwerfen. Das Theater als Medium eignet sich besonders gut für die Arbeit an Erinnerung und kollektiven Gedächtnis, da es die Vergangenheit zur neu erfundenen Gegenwart werden lässt und uns ermöglicht, uns hier und jetzt mit unserer Geschichte auseinanderzusetzen. Jedes eingeladene Produktionsteam arbeitet unter denselben Bedingungen: begrenztes Budget, kurze Probenzeit und je eine Stunde Aufbau und Spielzeit. Das Festival zeigt konzentrierte szenische Entwürfe und theatrale Skizzen ohne großen technischen Aufwand.
Die beteiligten Künstler:innen:
Ava Binta Giallo (Deutschland/Guinea)
Ava Binta Giallo erhielt ihre Ausbildung unter anderem an der Akademie der bildenden Künste Wien. Die bildende Künstlerin, Dichterin und analoge Filmemacherin lebt und arbeitet zwischen Wien/Österreich und Mindelo/Cabo Verde. Giallos Fokus liegt auf dem Handwerk des Webens, sowohl technisch als auch metaphorisch, um Struktur und ein Netz von Verbindungen zu schaffen. Zum anderen arbeitet sie mit dem Symbol der Spirale, der Schnecke (Festspielhaus Afrika). Eine Form, die in ihrer Offenheit eine Freiheit der Möglichkeiten symbolisiert.
Justin Ouindiga (bekannt als „GSK“) (Burkina Faso)
Justin Ouindiga, bekannt unter dem Künstlernamen „GSK“, ist ein burkinischer Schauspieler, der durch sein beeindruckendes Schauspiel breite Anerkennung erlangt hat. Seine Karriere begann mit einem Casting für eine Rolle in einem Kurzfilm, was ihn schließlich ins Kino führte. Er spielte in Filmen wie „Le Fauteuil“ von Missa Hebié und „Le Cœur du Lion“ von Aboubacar Diallo. GSK absolvierte eine siebenjährige Ausbildung am Atelier du Théâtre Burkinabè und hat sich durch seine Darstellung in der beliebten Serie „Affaires Publiques“ einen Namen gemacht. Neben seiner Schauspielkarriere ist er auch als Tischler tätig, verheiratet und Vater von drei Kindern. 2020 wurde er bei den Sotigui Awards für die beste männliche Darstellung ausgezeichnet.
Nabalüm (bürgerlicher Name: Aminata Nabaloum) (Burkina Faso)
Nabalüm, mit bürgerlichem Namen Aminata Nabaloum, ist eine burkinische Sängerin, Songwriterin und Komponistin, die im Afro-Soul-Stil Erfolge feiert. Sie wurde in Abidjan, Côte d’Ivoire, geboren und verbrachte dort ihre Kindheit und Schulzeit. Schon im Alter von fünf Jahren entdeckte sie ihre Leidenschaft für die Musik, indem sie Lieder von Céline Dion nachsang. Während ihrer Jugend nahm sie an zahlreichen Gesangswettbewerben in Côte d’Ivoire teil. Bei einem dieser Wettbewerbe, der im nationalen Fernsehen ausgestrahlt wurde, traf sie auf ihren späteren Produzenten Alif Naaba. Dank seiner Unterstützung kehrte sie erstmals nach Burkina Faso zurück, wo sie an einem künstlerischen Residenzprogramm teilnahm. Nabalüm erhielt ihre musikalische Ausbildung bei der Produktionsfirma „La Cours Naaba“ und veröffentlichte 2018 ihr Debütalbum „Saké“. In ihren Liedern, die stark mit ihren afrikanischen Wurzeln verbunden sind, thematisiert sie das Leben der afrikanischen Jugend, die Situation von Frauen sowie gesellschaftliche Themen auf dem Kontinent. Für ihre musikalischen Leistungen wurde sie mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2017 mit dem „Kundé de la Révélation“ und dem Preis der marokkanischen Botschaft bei den Faso Music Awards. 2019 erhielt sie einen weiteren Kundé, und 2024 wurde sie als beste weibliche Künstlerin mit dem Kundé-Preis geehrt.
Polina Solotowizki (Deutschland)
Polina Solotowizki wurde in Moskau geboren und wuchs inmitten deutscher, russischer und jüdischer Kulturen auf. Nach Abschluss ihres Regiestudiums am Russischen Institut für Theaterkunst im Jahr 2018 arbeitete sie als freie Regisseurin an Repertoiretheatern im russischsprachigen Raum. 2020/21 begann sie ihr Masterstudium Expanded Theatre an der Hochschule der Künste Bern. Ihr Masterprojekt „Frontstage“ – ein dokumentarisches Stück über Männlichkeit zwischen Spiel und Krieg, in dem ein ukrainischer und ein russischer Schauspieler mitwirken – wurde 2024 zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. Im selben Jahr wurde Polina für das Internationale Forum des Theatertreffens ausgewählt. Künstlerisch interessiert sich Polina Solotowizki für die Schnittstelle zwischen der Identität der Performenden, ihren Rollen und dem Gefühl von Präsenz durch performative Mittel. In ihrer Arbeit setzt sie sich aus persönlichen Perspektiven mit sozialen und politischen Themen auseinander und versucht, kulturelle Brücken zu bauen. In ihrem künstlerischen Prozess verfolgt sie häufig einen dokumentarischen Ansatz.
Sidiki Yougbaré (Burkina Faso)
Sidiki Yougbaré ist Schauspieler, Schriftsteller und Regisseur. 2004 entschied er sich dazu, seine Stücke in Mooré, der Landessprache von Burkina Faso, zu schreiben: der Sprache der Mehrheit der Bevölkerung. Damit stellte er ein in seinem Land noch unbekanntes theatralisches literarisches Genre vor. Manche seiner Stücke wurden in Afrika und Europa produziert und vorgestellt. Als Übersetzer hat er unter anderem adaptiert und/oder übersetzt. Yougbaré inszenierte auch zahlreiche Aufführungen, zuletzt Beoogo (2022), ein Stück, das er auch geschrieben hat.
Thierry Oussou (Benin/Niederlande)
Thierry Oussou erhielt eine Kunstausbildung an der Rijksakademie in den Niederlanden. Der bildende und konzeptionelle Künstler arbeitet mit einer Vielzahl von Medien. Er forscht zu materiellem und immateriellem Erbe, das von Institutionen oder lokalen Gemeinschaften vergessen wurde, und versucht, Auslöschungen und Kontinuitäten der Vergangenheit in der Gegenwart zu verstehen. Im Dezember 2023 verbrachte Oussou einen Monat im Operndorf Afrika, um mit Weberinnen, Töpfern und Gründern von Ziniaré in Burkina Faso zusammenzuarbeiten und Kunstwerke für die Theaterproduktion zu erschaffen.
Thiemo Strutzenberger (Österreich)
Thiemo Strutzenberger studierte Schauspiel am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Neben seiner Ausbildung war er zwischen 2002 und 2005 am Burgtheater Wien engagiert. Es folgten Engagements am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, am Theater Neumarkt in Zürich, am Schauspielhaus Wien und am Theater Basel. 2014 war er für den österreichischen Theaterpreis Nestroy als bester Schauspieler nominiert. Er schloss 2014 den Masterstudiengang für Gender Studies an der Universität Wien ab und nahm am FORUM Text der uniT (Graz) teil. Seine erste Regiearbeit realisierte er 2017 am Theater Basel. Es folgten 2020 die Uraufführungen seiner Stücke Wiederauferstehung der Vögel am Theater Basel und Der Preis des Menschen am Münchner Residenztheater. Von 2019 bis 2024 war er am Münchner Residenztheater engagiert. Seit 2024 ist er neuerdings am Burgtheater Wien. Thiemo Strutzenberger war Teil des Graduierten Kollegs Gender Studies an der Universität Basel und promovierte 2021.