Mbwa: Now Mine – Eine Auseinandersetzung mit Archivbildern, dem Basenji-Hund und der Frage nach Identität und Körper

Im Rahmen ihres Residenzprojekts im Operndorf Afrika setzt sich die Künstlerin Godelive Kasangati Kabena intensiv mit der Bedeutung von Archivbildern und deren Anachronismus auseinander – ihrer einzigartigen Fähigkeit, von der Vergangenheit in die Gegenwart zu wirken. Ihre Arbeit überschreitet die bloße Dokumentation und verwandelt Archivbilder in dynamische, sich ständig verändernde Entitäten. Für Kabena sind diese Bilder nicht statisch, sondern flexibel, sie können sich je nach Kontext und Perspektive immer wieder neu erfinden.
Ein zentrales Thema in Kabenas Arbeit ist die Auseinandersetzung mit dem Körper, insbesondere dem Basenji-Hund, einer Rasse aus der Demokratischen Republik Kongo. Der Basenji wird von Kabena als ein „autonomer Körper“ betrachtet, der sich nicht an vorgefasste Vorstellungen von Identität, Herkunft oder Funktion hält. Ihre Begegnung mit dem Basenji-Hund zwischen 2019 und 2020 hat sie dazu inspiriert, die Beziehungen dieser Hunderasse zu untersuchen und sowohl dokumentarische als auch fiktive Ansätze zu verbinden. In ihrer Betrachtung des Hundes als eine Form, die sich außerhalb üblicher Relationen bewegt, stellt sie die Frage: Was passiert, wenn ein Bild Teil eines komplexen Bildsystems wird, das nicht nur als Dokument dient, sondern als Werkzeug zur Schaffung eines spekulativen Archivs?
Für Kabena sind Archivbilder mehr als nur statische Dokumente – sie sind lebendige Entitäten, die von ihrem Kontext geprägt werden. Besonders die Archivfotografien aus der Kolonialzeit, in denen die Moderne in der DR Kongo begann, sich zu etablieren, und mechanische Systeme zur Rohstoffgewinnung eingesetzt wurden, spielen in ihrer Arbeit eine zentrale Rolle. Die Reproduktion dieser Bilder stellt für sie eine Möglichkeit dar, die Dynamik von Bildern zu erforschen und die Bedeutung von „Autonomie“ und „Form“ weiter zu hinterfragen. Der Basenji-Hund wird so zu einem sich ständig wandelnden Bild, das immer wieder neue Bedeutung und Perspektiven eröffnet.
Ein wichtiger Aspekt in Kabenas Arbeit ist die körperliche Präsenz des Basenji-Hundes, insbesondere seine einzigartigen physischen Merkmale, wie der fest eingerollte Schwanz und die von der Hündin abgegebenen Pheromone. Diese Merkmale hat sie in ihre Aluminiumarbeiten integriert, die eine Reflexion über die Sexualität des Hundes und seine Vieldeutigkeit anregen. Die Werke, die zwischen Form und Formlosigkeit navigieren, eröffnen neue Perspektiven auf die Körperlichkeit des Hundes und stellen gewohnte Vorstellungen infrage.
Die intensive Zusammenarbeit mit verschiedenen Künstler:innen und Handwerkern – darunter Noël Koutaba, Hermane Koutaba, Moumouni Zerbo, Kafanda Issa und Emmanuel Ahenkan Yeboah – hat die Vielschichtigkeit von Kabenas Arbeit weiter bereichert. Diese kreative Zusammenarbeit spiegelt sich in den verschiedenen Werkprozessen wider, in denen die Künstlerin die Grenzen zwischen Kunst, Handwerk und Theorie auslotet.
Ein weiterer Ansatz in Kabenas Arbeit bezieht sich auf die Form und Gestalt des Basenji-Hundes, die sie anhand von Archivfotos untersucht hat. Diese Auseinandersetzung hat einen Raum geschaffen, in dem Form und Gestalt nicht nur als Hauptfokus, sondern als Teil des gesamten Produktionsprozesses zur Sprache kommen. Im Kontext des Projekts entstanden Objekte, die als Spielzeuge für Kinder gedacht sind und von bestimmten Merkmalen des Basenji-Hundes inspiriert wurden. Diese Objekte eröffnen neue Perspektiven auf Form und Funktion und stellen gewohnte Vorstellungen infrage.
Godelive Kasangati Kabenas Projekt „Mbwa: Now Mine“ ist eine vielschichtige Auseinandersetzung mit Archivbildern, der Körperlichkeit des Basenji-Hundes und der Frage nach Identität, Autonomie und Repräsentation. Ihre Arbeit hinterfragt die statische Natur von Bildern und Form, indem sie diese in einen dynamischen, spekulativen Kontext stellt, der es ermöglicht, neue Bedeutungen und Perspektiven zu entdecken.
Durch ihre intensive Zusammenarbeit mit lokalen Künstler:innen und Handwerkern sowie die ständige Auseinandersetzung mit den Materialien und Formen eröffnet Kabena einen kreativen Raum, in dem spekulative und dokumentarische Ansätze miteinander verwoben werden. Die Arbeiten, die aus diesem Prozess hervorgehen, laden dazu ein, über die Bedeutung von Körpern, Bildern und Formen nachzudenken und deren Möglichkeiten für neue Ausdrucksformen zu erkunden.
Fotos: © Godelive Kasangati Kabena
Gefördert wird das diesjährige Artist-in-Residence Programm durch: