Literatur als Werkzeug für sozialen Wandel

Die im Rahmen unserer Kooperation mit Radio AWU organisierten Reading Sessions sind Teil unseres Artist-in-Residence-Programms und bieten Frauen einen sicheren Raum, um über persönliche Themen zu sprechen, gesellschaftliche Herausforderungen zu reflektieren und gemeinsam Lösungsansätze zu entwickeln. In den vergangenen Wochen konnten bereits drei Reading Sessions organisiert werden, die über das gemeinsame Lesen hinausgehen: Sie schaffen einen sicheren Raum, in dem Frauen Gehör finden, über gesellschaftliche Missstände sprechen und sich dadurch gegenseitig zu unterstützen. Wir sind dabei davon überzeugt, dass Literatur ein wirkungsvolles Werkzeug für sozialen Wandel ist – gerade in Regionen, in denen viele Frauen keinen Zugang zu Bildung haben und gesellschaftliche Tabus oft nicht angesprochen werden.
In Burkina Faso gibt es Gesetze, die Frauenrechte schützen sollen – doch in der Realität fehlt es oft an Aufklärung und an konkreten Maßnahmen zu deren Umsetzung. Gewalt gegen Frauen, Zwangsheiraten und weibliche Genitalverstümmelung sind weiterhin alltägliche Probleme, die viele Frauen erleben. Besonders Frauen ohne Schulbildung sind von dieser gesellschaftlichen Ungleichheit betroffen. Häufig fehlen ihnen die Möglichkeiten, sich auszudrücken und ihre Rechte einzufordern. Durch das Projekt möchten wir besonders diese Frauen darin bestärken, ihre Meinungen zu äußern und sich aktiv an gesellschaftlichen Diskussionen zu beteiligen.
In jeder Sitzung wurde ein anderes literarisches Werk einer burkinischen Autorin beleuchtet: In der ersten Sitzung diskutierten die Teilnehmerinnen über den Roman „La Bonne à tout taire“ von Bernadette Sanou, der sexuelle Übergriffe auf Hausangestellte thematisierte. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie Verantwortung für solche Taten übernommen werden kann und welche Konsequenzen die Opfer in der burkinischen Gesellschaft oft erleiden müssen. In der zweiten Sitzung ging es um die Erzählung „Une victime innocente“ von Catherine Manly, die das tabuisierte Thema der Menstruation aufgriff. Im Gespräch mit den Teilnehmerinnen wurde deutlich, wie wichtig es ist, offen über den weiblichen Körper zu sprechen, um Missverständnisse zu vermeiden und soziale Stigmatisierungen abzubauen. In der dritten Sitzung wurde der Roman „Une Histoire d’œuf“ von Monique Ilboudo behandelt, der das Thema weibliche Genitalverstümmelung in den Fokus rückte. Die teilnehmenden Frauen verurteilten diese Praxis geschlossen und diskutierten über die gesundheitlichen und psychologischen Folgen sowie über Lösungsansätze, um diese Tradition in ihren Gemeinden abzuschaffen.
Alle bisherigen Sitzungen haben uns bereits gezeigt, wie wichtig es ist, Frauen in der Region um das Operndorf eine Plattform für Dialog und Austausch zu bieten. Themen wie sexuelle Gewalt, reproduktive Gesundheit und Geschlechtergerechtigkeit sind in den Gemeinden weiterhin oftmals tabuisiert. Doch gerade über diese Themen möchten die Frauen sprechen – und sie tun es in unseren Reading Sessions mit großem Engagement. Wir sehen, wie sich das Selbstbewusstsein der Frauen von Sitzung zu Sitzung entwickelt und haben uns für die kommenden Sitzungen haben wir uns vorgenommen, die Reading Sessions weiter auszubauen und eigene Podcasts mit den Teilnehmerinnen zu produzieren. Ein besonderer Fokus wird darauf liegen, die literarischen Werke auch in lokale Sprachen zu übersetzen und sie auch in der Bibliothek im Operndorf zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sollen die thematischen Schwerpunkte der Sitzungen erweitert werden. Geplant sind Diskussionen zu Themen wie Frauenrechte, reproduktive Gesundheit, Bildung und kulturelle Praktiken. Auch die Männer der Gemeinden sollen vermehrt zur Teilnahme eingeladen werden mit dem Ziel, die Bevölkerung stärker für gesellschaftliche Probleme zu sensibilisieren und sie zu ermutigen, sich aktiv an deren Lösung zu beteiligen.
Gefördert wird das diesjährige Artist-in-Residence Programm durch: